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GVP-Mitglieder berichten, wie Sie erfolgreich Menschen mit Behinderung (MmB) in ihrem Unternehmen beschäftigen.
Das mittelständische Unternehmen tracking-rail ist technischer Dienstleister der Bus- und Bahnindustrie und strebt für seine Zeitarbeitnehmer in den meisten Fällen die Höchstüberlassungsdauer an. Sowohl Nachhaltigkeit als auch Gesundheitsmanagement und Mitarbeiterzufriedenheit werden in diesem sehr familiär aufgestellten Betrieb groß geschrieben. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass Menschen mit Behinderung oft schon im Vorstellungsgespräch auf ihre Bedürfnisse aufmerksam machen, erklärt Michael Schramm, Management Representative, Legal Affairs & Branding bei tracking-rail.
Für das Unternehmen stehe im Vordergrund, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die angeforderten Tätigkeiten ausführen können. Deshalb nehmen sie sich im Bewerbungsgespräch bewusst Zeit, diese ausführlich zu beschreiben. So haben die Kandidatinnen und Kandidaten die Möglichkeit, selbst einzuschätzen, ob ihre Behinderung mit diesen Aufgaben zu vereinbaren sei. Transparenz stehe hier an erster Stelle und fördere das Vertrauen, so Schramm. Nur so könnten die Einsatzmöglichkeiten genau geprüft werden, was auch für Folgeeinsätze entscheidend sei.
In Bezug auf die Kommunikation mit den Einsatzbetrieben berichtet Schramm, dass diese bei einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter mit Schwerbehinderung nur über die Behinderung unterrichtet werden, wenn es für die Arbeitssicherheit relevant sei, da dieser Aspekt natürlich nicht vernachlässigt werden dürfe. Dies geschehe selbstverständlich nur in Absprache mit der betroffenen Person. Ansonsten liege der Fokus auf der Ausübung der angeforderten Tätigkeit unabhängig von der Behinderung - wie etwa bei David Dießel:
Es gibt Menschen, die lassen sich durch nichts unterkriegen – David Dießel ist so ein Mensch: Mit gerade einmal 19 Jahren erkrankte der stellvertretende Produktionsleiter der tracking-rail GmbH an systemischem Lupus (SLE/Schmetterlingserythem), einer Autoimmunerkrankung. Erste einen Monat zuvor hatte Dießel eine Ausbildung im Bereich Verfahrenstechnologie in der Mühlen- und Getreidewirtschaft begonnen, nachdem er dort in der elften Klasse ein Fachpraktikum absolviert hatte. „Erst kam ich für zwei Wochen auf die Isolierstation, bis sie erstmal wussten, welche Krankheit ich überhaupt habe“, erinnert er sich. Seine Nieren waren unmittelbar betroffen, er bekam sechs Monate lang eine Chemotherapie – seitdem sind Cortison und Medikamente seine ständigen Begleiter. „Das Immunsystem war damit komplett ausgestellt, weil meine Zellen den eigenen Körper angriffen“, blickt Dießel zurück.
Sein Ausbildungsbetrieb zeigte Verständnis: „Ich konnte meine Ausbildung beenden, die Firma machte das mit, obwohl sich die Ausbildung durch meine Krankheit verlängerte“, erläutert der 35-Jährige. Seiner Einschränkung zugute gekommen sei die komplett maschinelle Steuerung der Mühle, die sich über acht Etagen erstreckte. 2013 beendete Dießel die Ausbildung nach fünf Jahre. „Die Krankheit taucht immer in Schüben auf. Ende 2010 kam ein extremer Schub, der beide Nieren kaputt machte“, zeichnet er sein Schicksal nach. Seit 2011 hing der Produktionsleiter dann an der Dialyse. „Drei Tage Dialyse ließ sich nicht mit dem Fulltime-Job verbinden“, erklärt er seinen Werdegang. Zehneinhalb Jahre lang musste er dreimal pro Woche ab mittags zur Dialyse.
Es folgten eine Beratung vom Arbeitsamt und eine Umschulung – 2014 fing Dießel zunächst als Produktionshelfer an, war beschäftigt mit Kabelzuschnitt, Kabelmarken drucken und Stecker vorbauen. Die Firma stellte schließlich fest, dass Dießel äußerst fit in Sachen Computer war – und ist: „Mir wurde ein Job im Büro angeboten. Ich kümmerte mich um Logistik-Abläufe, dann kam 2016 das Angebot, als Produktionsleiter mit 16 Angestellten weiterzuarbeiten.“ 2017 erlitt er einen Schlaganfall durch einen Schub, ging dann in die Reha, um alles wieder neu zu lernen. Zusätzlich zwei Lungenembolien brachten ihn jeweils per Notarzt ins Krankenhaus. „Seit 2019 habe ich epileptische Krämpfe, aber seit zwei Jahren sind die durch Medikamente im Griff“, berichtet er über seinen langen Leidensweg.
Hinzu kam die berufliche Belastung. Durch Corona kam seine Firma in Bedrängnis. 2021 wechselte Dießel schließlich zu tracking-Rail. „Der Produktionsleiter hier suchte eine Vertretung. Ich habe meine Bewerbung eingereicht, wir haben uns zusammengesetzt, und ich bin eingestellt worden“, freut er sich. Doch es gab auch gesundheitlich ein Licht am Ende des Tunnels: „Seit 2021 bin ich transplantiert, habe eine neue Niere und seitdem ist die Dialyse überflüssig. Ich bekomme seitdem Extra-Medikamente gegen die Abstoßungsreaktion, die anderen Medikamente muss ich noch weiter nehmen“, betont er und ergänzt gutgelaunt: „Meinen Vollzeitjob kann ich ohne Einschränkung wahrnehmen, habe nur noch regelmäßige medizinische Kontrolltermine.“
Zeitarbeit ist für ihn eine gute Alternative und Unterschiede zu anderen Jobs konnte er bislang nicht feststellen: „Es war mit erst gar nicht bewusst, dass es sich bei dem Job um Zeitarbeit handelt. Es war mir auch egal, denn es hat mir ja gut gefallen. Alles ist völlig okay, und es gibt keinen Grund, das nicht zu machen.“ David Dießel ist zu 100 Prozent schwerbehindert. „Wir wussten das bei der Einstellung, weil David schon immer mit offenen Karten gespielt hat. Wir waren aber trotzdem nicht darauf vorbereitet, die Auswirkungen waren uns so nicht bewusst“, blickt Michael Schramm auf das Einstellungsgespräch zurück. „Es brauchte ein paar Wochen, wir haben uns vorher keine Gedanken über die Konsequenzen gemacht, dass er dann auch mal nicht da ist, weil er zum Arztbesuch muss.“ Teils sei es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommuniziert worden, teils kamen Nachfragen bei Dießels Abwesenheit.
Die Qualifikation habe bei der Einstellung absolut im Vordergrund gestanden. Schramm: „Das Ist ja keine Behinderung, die offensichtlich ist. Die Entscheidung war aber ganz klar, dass er angestellt werden soll. Das wird seitdem mitgedacht und ist bei uns nicht nur Thema bei der Einstellung, sondern auch beim Onboarding. Unsere Arbeitsverträge sind zu 100 Prozent unbefristet. Wir haben auch überregionale Mitarbeiter, die entsprechend mobil sein müssen. Bei zahlreichen Tätigkeiten müssen auch Eignungsuntersuchungen durchgeführt werden“, erklärt Schramm die Praxis. Lösungen ließen sich immer finden: „Wir haben fünf Mitarbeiter mit Behinderungsgrad und keine Probleme“, ist er stolz.
Für einen Austausch zu dem Thema steht Herr Schramm gerne unter m.schramm@tracking-rail.eu zur Verfügung
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