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Hierbei handelt es sich um einen Archivbeitrag des GVP-Vorgängerverbands „iGZ“.
Wolfram Linke
Welche Folgen die derzeitigen Krisen wie Pandemie und Krieg auf den Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Lage habe, erläuterte Dr. Oliver Stettes, Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), Leiter des Kompetenzfeldes Arbeitsmarkt und Arbeitswelt, beim iGZ-Landeskongress PP Süd in Fürstenfeldbruck: „Wir haben einen unfassbar robusten Arbeitsmarkt, der die Covid-19-Krise überwunden hat“, stellte der Experte eingangs fest.
Die Fachkräfteengpässe seien unterschiedlich stark ausgeprägt. Der Markt laufe jedoch auf eine Arbeitskräfteknappheit hinaus. Stettes: „Wir haben den Höchstbestand an offenen Stellen, das ist ein absoluter Rekordwert. Die Zeit, eine Arbeitsstelle zu besetzen, wird immer länger.“ Das werde eine langfristige Herausforderung für Unternehmen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Wirtschaft habe allerdings eine Produktions- und Investitionslücke im Vergleich zur Vorcoronazeit. Das werde erstmal so bleiben.
„Wir gehen mittlerweile davon aus, dass wir in eine Rezession rutschen werden“, rechne er mit den Folgen der Lücken. Das werde sich dann auch auf die Zeitarbeitsbranche auswirken. Die Wirtschaft und die Gesellschaft stehe vor einer Kombination aus Inflation, Energiepreisschub und Gewerkschaftsforderungen, „und wir haben große Sorge, dass die Gesellschaft in eine Lohn-Preis-Spirale gerät“, fürchtete Stettes. „Die Signale stehen ein bisschen auf Rot. Es ist aber zu erwarten, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter versuchen zu halten, daher sind die Aussichten nicht so schlecht“, wagte er den Blick in die Glaskugel.
Es ist nicht leicht, eine langfristige Perspektive zu geben. Es gibt viele unterschiedliche Herausforderungen – auch für die bayerische Wirtschaft. Jede Krise hat indes auch positive Seiten. Covid 19 hat beispielsweise die Digitalisierung enorm beschleunigt, und durch die Energieknappheit werden die erneuerbaren Energien viel schneller ausgebaut und gefördert“, meinte Reimo Kröll, Geschäftsführer, Leitung der Abteilung Planung und Koordination der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft – in einer Podiumsdiskussion zum Thema „Welche Folgen haben die derzeitigen Krisen wie Pandemie und Krieg auf den Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Lage“.
Gemeinsam mit Dr. Oliver Stettes, Petra Eisen und Martin Liebert sprach er über denkbare Entwicklungen des Arbeitsmarktes und der Wirtschaft. Oliver Stettes attestierte, die Arbeitskräfteknappheit sei nicht überraschend. „Viele Arbeitskräfte wie etwa aus dem Gastronomiebereich suchten nach Alternativen“, blickte er auf die Folgen des Lockdowns zurück: „Die Unternehmen wurden und werden gezwungen, umzudenken, also zum Beispiel Mitarbeiter zu halten, statt sie zu entlassen“, blickte er auf die Konsequenzen. Die Wirtschaft und Politik seien gefragt, Beschäftigungsperspektiven zu bieten.
Martin Liebert bestätigte, auch die Zeitarbeit stehe vor der Herausforderung, zu qualifizieren und zu integrieren. Petra Eisen erinnerte, derzeit existiere kein Fachkräfte-, sondern ein Arbeitskräftemangel. Nun müsse endlich der Weg für Personal aus Drittstaaten freigemacht werden. Die Anerkennung von Abschlüssen dauere zu lange. „Zeitarbeit kann allerdings Mitarbeiter aus Drittstaaten anderweitig beschäftigen, bis die Anerkennung wirksam ist. Das kann kein anderer Arbeitgeber“, nannte sie ein weiteres Argument in Richtung Politik, den Weg für Drittstaatler in die Zeitarbeit freizumachen.
Kröll mahnte an, man müsse langfristig zu anderen Verfahren kommen, um der Nachfrage zu begegnen. Der Staat müsse eingreifen, um solche Vorkommnisse zu bewältigen. „Wir müssen aber Wegkommen von dem Modus, dass der Staat immer und überall eingreift, das darf sich nicht verfestigen“, warnte er vor übermäßiger stattlicher Kontrolle.
Seit Jahrzehnten bietet der iGZ ein ebenso attraktives wie auch umfangreiches Seminarprogramm an. Prof. Dr. Jens Große, Leiter der iGZ-Abteilung Bildung, stellte die kommenden Highlights aus dem aktuellen Angebot vor. Zudem freute er sich, dass das Studium Zeitarbeit, das der iGZ mit der Fernuni Hagen anbietet, nun Realität geworden ist – zum 1. Oktober nehmen 22 Studienanfänger ihr neues Studium auf. Auch der Ausbildungsweg zu Personaldienstleistungskaufleuten erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit: Große begrüßte anlässlich des Kongresses eine komplette Schulklasse PDK-Azubis und deren Lehrerinnen. Die iGZ-Kongresse werden von den Klassen regelmäßig gern genutzt, um Einblicke in die aktuellen Themen der Branche zu bekommen.
Markus Wasserle, Inhaber des Reinigungsunternehmens Wasserle GmbH, referierte im Anschluss darüber, was kleine und mittelständische Unternehmen tun können, um ihre Attraktivität auf dem Arbeitnehmermarkt zu erhöhen. Nicole Truchseß, Expertin für Vertriebsprozessoptimierung, Autorin und Coach, hatte gleich zehn Argumentationshilfen mitgebracht, um Pricing neu zu denken und den Teilnehmern wertvolle Tipps für Kundengespräche zu geben. Unter anderem thematisierte sie den Fachkräftemangel, die Energiekrise, Lieferkettenprobleme und die kommende Mindestlohnerhöhung zum 1. Oktober.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde der Referenten ging´s in die Praxiscamps: Mit dem „Green Recruiting – mit Nachhaltigkeit als Arbeitgeber attraktiver werden“ beschäftigte sich Jürgen Schäfer und Vanessa Seez, entero AG, in seinem Camp. Über „Service 2022: Mit neuartigen Benefits Mitarbeiter finden und binden“, referierte Nicole Munk, Synergie Personal Deutschland GmbH, ein Thema, das offenbar den Nerv traf. „Das ist der größte Stuhlkreis, den ich je gesehen habe“, staunte die Referentin. Die Digitalisierung ist in aller Munde – „Personaldienstleistungen digitalisieren – erste Schritte und Praxisbeispiele“, lautete das Thema von Florian Eisen, Inhaber der Eisen ITConsulting“. In seinem Vortrag verriet er den Teilnehmern viele Möglichkeiten, die moderne IT heute bietet, um das Büro zu digitalisieren und damit auch zu einem großen Teil papierlos zu gestalten.
Dr. Martin Dreyer, stellvertretender iGZ-Hauptgeschäftsführer, informierte das Plenum, der iGZ habe mit der DAK-Krankenkasse einen Kooperationsvertrag abgeschlossen, der speziell für die iGZ-Mitglieder einige Vorteile biete. Dreyer informierte die Teilnehmer in seinem Vortrag außerdem darüber, „wie Gesetzgeber und Gerichte die Branche auf Trab halten“. Unter anderem berichtete er über die jüngste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), dass die Erfassung der Arbeitszeit zwingend realisiert werden müsse. Baustelle für die Zeitarbeitsunternehmen seien die intern Beschäftigten, bei den anderen – externen – Mitarbeitern werde die Arbeitszeit ja schon erfasst.
Der stellvertretende iGZ-Hauptgeschäftsführer erläuterte im Anschluss den Tarifabschluss zur Mindestlohnanpassung. Er bezeichnete die gesetzliche Regelung als fatalen Fehler, denn damit sei die eigentlich dafür zuständige Mindestlohnkommission komplett übergangen worden. Eine aktualisierte Entgelttabelle werde den Mitgliedern in Kürze in digitalisierter Form zur Verfügung gestellt. Als gering bezeichnete er das Verständnis, das der Europäische Gerichtshof (EuGH) für die deutsche Zeitarbeit habe. Das führe auch oft zu Missverständnissen, und die Urteile seien oftmals sehr schwammig und auslegungsfähig.
Verheerend sei die Stellungnahme des Generalanwalts zum Gesamtschutz. Während jener nach dem Gleichstellungsprinzip argumentierte, habe er vollkommen außer Acht gelassen, dass der Gesamtschutz neben den Tarifverträgen durch umfassende gesetzliche Schutzvorschriften garantiert sei. Er hoffe nun, dass der EuGH das korrigiere, „denn diese Argumentation ist einfach Quatsch.“ Positives sei zum Thema TZ LeiZ zu vermelden – das BAG habe ihn durchgewunken und die Entscheidung des LAG Baden-Württembergs gekippt. In diesem Fall ging es um die Überlassungshöchstdauer.
In einem Expertentalk sprachen Rüdiger Maas, Institut für Generationsforschung, Nicole Munk, Synergie Personal Deutschland GmbH, Nina Schnappinger, PDK-Auszubildende, Diakonisches Werk Fürstenfeldbruck e.V., und Edith Schmidt, PDK-Auszubildende, RILE Group GmbH & Co. KG, und Paul Lendle, PDK-Auszubildender der Allgeier IT GmbH, moderiert von Jens Issel über „Gen Z und New Work – was müssen Arbeitgeber tun, um junge Mitarbeitende zu gewinnen?“ Mit ihrem Schlusswort beendete Petra Eisen den PP Süd in Fürstenfeldbruck.
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