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Hierbei handelt es sich um einen Archivbeitrag des GVP-Vorgängerverbands „iGZ“.
Mitarbeiter suchen und finden? Kein Problem! Auch in einer Branche, in der absoluter Arbeitskräftemangel herrscht? Ja! Und wie geht das? Gute Frage! Der iGZ hat bei prämierten Arbeitgebern nachgefragt, wie sie Mitarbeiter rekrutieren und langfristig an sich binden. Die Ansätze reichen von kreativem Handeln bis zu klaren Prinzipien.
Sommerzeit ist Urlaubszeit – das gilt auch im Reinigungsunternehmen von Markus Wasserle. Während andere in der Gebäudereinigung händeringend nach Ersatzpersonal für die Urlaubsmonate suchen oder nur einem Teil der Belegschaft freie Tage genehmigen, lehnt sich der 41-Jährige entspannt an seinem Schreibtisch in Kaufering zurück. „Bei uns kann jeder zu jeder Zeit Urlaub machen. Solange der Urlaubsantrag sechs Wochen vorher gestellt wird, wird er automatisch genehmigt. Die Führungskraft kann ihn nicht nicht genehmigen“, erklärt Wasserle einen Baustein seiner Unternehmenskultur. Und wie erfüllt das Reinigungsunternehmen dann seine Aufträge? Für Markus Wasserle arbeiten 320 Mitarbeiter aus 30 verschiedenen Nationen, die meisten aus Südeuropa, und nahezu alle wollen ihren Jahresurlaub im Sommer in der Heimat verbringen – und tun dies auch.
Markus Wasserle | Wasserle Gebäudereinigung
Möglich macht’s eine Kooperation mit einer Universität in der Slowakei. In diesem Sommer verbringen 38 slowakische Studierende ihre Semesterferien in und um München, wo die Gebäudereinigung Wasserle vor allem gewerbliche Immobilien, Treppenhäuser, Glasfassaden und Tiefgaragen auf Hochglanz hält. „Die Studierenden wohnen bei meinen Mitarbeitern oder in unseren Werkswohnungen. Über unsere Mitarbeiterzeitung betreiben wir quasi ein Firmen-Airbnb. So haben die Studenten direkt auch Anschluss – neben den Events, die wir dazu für sie organisieren.“ Ob er Stellen überhaupt noch ausschreibe? Nein, Vollzeitstellen nicht, nur die ein oder andere Teilzeit-Position. „Aber das mache ich über ein Kleinanzeigenportal. Alle anderen Stellen besetze ich über die 150-200 Initiativbewerbungen, die wir pro Jahr erhalten.“
Bei Wasserle läßt’s sich gut arbeiten, das spricht sich rum. Seine Angestellten empfehlen Wasserle als Arbeitgeber weiter, ganz ohne Provision. Auch verdient hier niemand über Tarif, aber das Miteinander ist wie in einer großen Familie. „Wir sind in Süddeutschland wohl das Reinigungsunternehmen mit der größten Zahl an studierten Kräften“, erzählt der Chef, selbst gelernte Reinigungskraft mit Ausbildung und Meisterzertifikat. Viele der Studenten, die ihre Semesterferien bei Wasserle verbracht haben, kommen nach dem Studium wieder, fangen Vollzeit an und arbeiten sich hoch in Führungspositionen. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist hoch, davon zeugen auch diverse Auszeichnungen, wie die Great-Place-To-Work-Zertifizierung. Dafür werden die Mitarbeiter befragt und anhand eines Fragen- und Kriterienkatalogs die Kernqualitäten wie faire Zusammenarbeit, Glaubwürdigkeit und starker Teamgeist bewertet. Wasserle gilt seit einigen Jahren als ausgezeichneter Arbeitgeber.
600 Kilometer weiter nördlich hat Martin Kettner von seinem Arbeitsplatz den Aachener Dom immer im Blick. Bei seinem Brötchengeber ist der Name Programm: Flaixible GmbH – Flair und Flexibilität werden beim Start-up in der Call-Center-Branche ganz großgeschrieben. „Where work feels like home” – also wo sich Arbeit wie ein Zuhause anfühlt – ist das Firmen-Motto, erklärt der Marketing-Leiter: „Wir sind wie eine große Familie, die viel Spaß zusammen hat – nur dass wir, anders als zuhause, Aufstiegschancen bieten.“ Seit 2018 spezialisiert sich das junge Unternehmen auf Kundenservice in der Kontaktcenterbranche und Softwareentwicklung und -beratung, auf der Kundenliste finden sich einige große deutsche Telekommunikationsunternehmen.
Martin Kettner | Flaixible GmbH
Flaixible zahlt den mehr als 300 Mitarbeitern – vorwiegend junge Leute, die so ihr Studium finanzieren – nicht mehr als die Konkurrenz, punktet aber mit einem Top-Betriebsklima und zusätzlichen Benefits wie die Mitgliedschaft bei einem Fitnessstudio und vergünstigte Versicherungskonditionen. Die Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu zusammen mit Zeit Online haben das junge Unternehmen als „Most Wanted Employer“ – meistgefragten Arbeitgeber Deutschlands – ausgezeichnet. Mit 4,8 von 5 möglichen Sternen und einer Weiterempfehlungsrate von 98 Prozent. Die Mitarbeitenden sind vor allem begeistert von der Work-Life-Balance und einer diversen und modernen Unternehmenskultur. „Egal, ob Führungskraft oder Call-Center-Agent – bei uns kann sich jeder seine Arbeitszeiten aussuchen, so wie es am besten zu den jeweiligen Lebensumständen passt“, erzählt der Marketing-Chef. Die öffentlichen Bewertungen bei Google und Kununu reichen von „Vorgesetzte und Kolleg:innen arbeiten hier Hand in Hand gemeinsam an Lösungen. D.h. jeder kann zum Teil die Prozesse mitgestalten." bis hin zu „Ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass ich noch nie erlebt habe, so gerne auf der Arbeit gewesen zu sein. Kompetente Vorgesetzte und ein super Chef runden neben den guten Arbeitskollegen alles perfekt ab.“.
Das Geheimrezept zur Mitarbeiterbindung? „Das ist kein Geheimnis“, sagt Kettner und lacht. „Es ist die Kombination aus Transparenz, Offenheit und Wertschätzung.“ Und letztere gibt es bei Flaixible nicht nur durch Lob aus der Chefetage, Gamification ist im Aachener Start-up fester Bestandteil des Arbeitsalltags: „Wir machen regelmäßig Challenges, die Mitarbeiter treten gegeneinander an. Wer gut arbeitet, das beste Kundenfeedback bekommt oder Extra-Schichten übernimmt, der bekommt bei uns auch was obendrauf – angefangen bei einem zusätzlichen freien Tag für fünf Extra-Schichten über einen höheren Stundenlohn, Tankgutscheine bis hin zu einer Smartwatch“, verrät der Marketing-Leiter. „Wir lassen uns da ständig was Neues einfallen. Hauptsache alle haben Spaß am Wettkampf und Spiel.“ Und wie findet Flaixible Mitarbeiter? „Wir schalten in den üblichen Jobportalen Stellenanzeigen und posten bei Instagram und Tiktok. Wichtig ist, Einblicke zu geben, wie wir hier arbeiten. In unserem Format „Fragenhagel“ beispielweise beantworten unsere Mitarbeiter selbst Fragen, die uns erreichen.“ Dazu ist Flaixible bekannt für seine Sticker- und Flyeraktionen an den umliegenden Universitäten – da verleitet dann ein QR-Code zum „Kostenlosen Glück“. „In der Planung ist aktuell eine Party-Reihe, die wir mitorganisieren und sponsoren“, berichtet Kettner. „Die vielen kleinen Bausteine zusammen funktionieren: 80 Prozent der Studierenden, die hier anfangen, bleiben oder kommen zurück. Erst Student – dann Führungskraft, selbst wenn sie ursprünglich komplett andere Berufspläne hatten und etwas anderes studiert haben.“
Im münsterländischen Ahaus schlägt der Software-Entwickler Tobit einen ganz anderen Weg ein. Seit Juli gilt dort: Weniger ist mehr – und mittwochs ist frei! Gründer und CEO Tobias Groten setzt konsequent auf eine Viertagewoche, ohne Gegenleistung, bei vollem Lohn. In einem Memo heisst es „Wieso predigen wir bei Tobit.Software der Welt gebetsmühlenartig, wie sehr die Digitalisierung die Arbeitswelt und unser Leben auf den Kopf stellt, hängen aber auch nach 35 Jahren noch immer in der gleichen Work-Life-Endlosschleife fest?“ Das geschehe nur, weil es niemand hinterfrage, schreibt Groten. Das habe er gemacht – und jetzt sei es an der Zeit, etwas zu tun. Einen Leistungsabfall erwartet der CEO nicht. Und klar, Tobit.Software hat einen großen Vorteil: Das Unternehmen entwickelt Produkte, konzipiert, designt und vermarket – das unterscheidet das Ahauser Unternehmen von anderen Dienstleistern. Natürlich ist die Viertagewoche eine Möglichkeit, sich bei Bewerbern als Unternehmen attraktiver zu machen. „Schlaft Euch aus. Genießt das Leben. Trefft Euch mit Menschen. […] Macht etwas für euren Kopf. Für euren Körper. Für Euch. […] Mittwochs seid ihr frei.“
Zurück in den Süden: „Mein Erfolgsrezept ist ganz einfach“, verrät Markus Wasserle. „In meiner Firma steht der Mensch im Mittelpunkt. Ich tue was für meine Angestellten, sie tun was für mich.“ Und Gebäudereiniger Wasserle bietet seinen Mitarbeitenden viel: angefangen bei Fahrtkostenzuschüssen, Hilfe beim Arztbesuch, Online-Deutschkurse am Wochenende über ein Fitness-Studio für alle, jeden Morgen ein gesundes Frühstück, kostenlose Bankkonten, Firmenfeste, Ausflüge und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Leute sollen freiwillig hier arbeiten – und nicht, weil sie nichts anderes finden, sagt der Chef. Dabei sind Wasserle drei Punkte besonders wichtig: Ehrlichkeit, Transparenz und ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe. „Wir arbeiten hier miteinander, dafür muss ich natürlich auch wissen, woher die Menschen kommen, was sie bewegt.“ Erst kürzlich ist Wasserle mit drei seiner sieben Kinder in Rumänien gewesen. „Diesmal waren wir bei einer Hochzeit eines Mitarbeiters eingeladen, aber ich reise regelmäßig in die Länder meiner Angestellten.“ Wer Geburtstag hat, bekommt ein Geschenk – zur Wahl stehen ein Blumenstrauß, ein Obstkorb oder ein Buchgutschein – persönlich zuhause von einem Mitarbeiter überreicht. Wasserles Mitarbeiter haben ein Mitspracherecht, nicht nur beim Geburtstagspräsent. Auch bei Neuanschaffungen und anderen Weiterentwicklungen können sie sich einbringen. Bis zu einem Wert von 500 Euro entscheiden die Mitarbeiter über Neuanschaffungen selbst. „Bei uns gibt es viele Freiheiten, aber Freiheit funktioniert nur mit Verantwortung, die erwarte ich hier von jedem“, so der 41-Jährige. „Und das mag sich völlig gegensätzlich anhören: Aber im Zweifel entscheide ich.“ Das käme zwar nicht oft vor, aber letztendlich gehe es um das Wohl der Firma. „Das haben wir auch schriftlich für jeden zum Nachlesen und ich bin da ganz offen und klar.“ Offenheit, Ehrlichkeit, Transparenz – das sind für Wasserle die Schlüssel zur Mitarbeiterrekrutierung und -bindung. „Den schlimmsten Fehler, den ein Unternehmer machen kann, ist, etwas vorzugaukeln. Nur wenn potenzielle Mitarbeiter wissen, was sie erwartet, wird niemand enttäuscht. Und Sie müssen die richtigen Mitarbeiter in die Firma holen, die Menschen müssen zur Unternehmenskultur passen.“
Dass bei dem bayrischen Reinigungsunternehmen alles passt, zeigt auch der Krankenstand: Im Gebäudereiniger-Handwerk liegt der bei durchschnittlich 5,7 Prozent, bei Wasserle bei 1,5 Prozent, berichtet der Firmenchef nicht minder stolz. Seine Leute arbeiten gut und sind seltener krank. Das merken die Kunden. Die Firma wächst jedes Jahr um durchschnittlich 15 Prozent. Auf bis zu 350 Mitarbeiter soll es noch hoch gehen – dann ist Schluss, sagt Wasserle. Weil der Gebäudereinigungs-Markt kaum noch wächst, findet ein Verdrängungswettbewerb statt, der über den Preis und meist zulasten der Mitarbeiter ausgetragen wird. Die sollen immer mehr in immer kürzerer Zeit putzen. Von zehn Anfragen mache er lediglich zwei Kunden ein Angebot. „Das Ziel meiner Firma ist es auch, das Image der Branche zu ändern“, sagt Wasserle. Mit Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz – Qualität halt aus Leidenschaft.
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