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Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG Hessen) hat entschieden, dass für die Beurteilung, ob eine Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) vorliegt, zuerst der Kunde die vertraglichen Vereinbarungen konkret darlegen und die Tatsachen vortragen muss, die dagegen sprechen. Erst dann muss der Arbeitnehmer diejenigen Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich das Vorliegen einer ANÜ ergibt. Denn ihm ist der Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen zwischen seiner Vertragsarbeitgeberin und dem Kunden nicht bekannt, weil er regelmäßig außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs steht.
Eine Automobilherstellerin (Beklagte) beauftragte die Firma B, Steuergeräte für ihre Fahrzeuge zu betreuen. Der Arbeitnehmer (Kläger) war bei der Firma B als Systemingenieur beschäftigt und wurde bei der Beklagten als Steuergeräteverantwortlicher eingesetzt. Ein Geräteverantwortlicher bei der Beklagten erhielt vom Kläger und den übrigen Mitarbeitern der Firma B monatlich sogenannte Release-Letter über die erbrachten Leistungen, auf deren Grundlage die Rechnungen der Firma B erstellt wurden. Die Einzelheiten der tatsächlichen Durchführung des zwischen der Beklagten und der Firma B geschlossenen Vertrags sind streitig.
Der Kläger begehrte vom Arbeitsgericht (ArbG) Darmstadt vergeblich die Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, weil er nicht auf Basis eines Werkvertrags, sondern im Rahmen einer verdeckten ANÜ eingesetzt worden sei. Der Kläger hatte nach Ansicht des ArbG nicht ausreichend das Vorliegen einer ANÜ gemäß § 1 AÜG dargelegt. Die Berufung vor dem LAG Hessen war erfolgreich, denn der Kläger ist nach Ansicht des Gerichts von der Firma B an die Beklagte zur Arbeitsleistung überlassen worden. Der Arbeitsvertrag mit der Firma B – die keine behördliche Erlaubnis für eine gewerbsmäßige ANÜ besitzt – ist unwirksam, so dass ein Arbeitsvertrag zwischen der Beklagten und dem Kläger fingiert wird.
Die Rechtsbeziehung zwischen Vertragsarbeitgeber und Drittem – ob ein Dienst- bzw. Werkvertrag oder eine ANÜ vorliegt – bestimmt sich sowohl anhand der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch unter Berücksichtigung der praktischen Durchführung des Vertrags. Widersprächen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung maßgeblich.
Es ist auch auf die Unternehmensstruktur des Dienstleistungserbringers bzw. Werkunternehmers abzustellen. Das Unternehmen muss eine Struktur aufweisen, die ihm eine Tätigkeit ermöglicht, die über die bloße Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern hinausgeht und ihn in die Lage versetzt, die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen zu treffen. Fehlt eine solche und ist der vertraglich festgelegte Leistungsgegenstand derart unbestimmt, dass er erst durch die Weisungen des Auftraggebers konkretisiert wird, liegt ANÜ vor.
Nach den Angaben des Klägers deutet die vertragliche Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Firma B wegen Unbestimmtheit auf eine ANÜ hin. Die Beklagte hätte den Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen konkret darlegen und Tatsachen vortragen müssen, die gegen eine solche sprechen. Dem ist sie nicht nachgekommen, sondern hat weiterhin an ihrer Rechtsansicht festgehalten, der Kläger habe der ihm obliegenden Darlegungslast nicht Rechnung getragen. Es ist rechtlich ohne Belang, dass sich aus dem Sachvortrag des Klägers keine praktische Handhabung ergibt, die für eine ANÜ spricht.
LAG Hessen, Urteil vom 07. April 2022, Az.: 5 Sa 1082/21
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