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Hierbei handelt es sich um einen Archivbeitrag des GVP-Vorgängerverbands „iGZ“.
Prof. Dr. Jens Große
Erwerbstätige nehmen so häufig an Weiterbildungen teil wie nie zuvor: Im Jahr 2020 wurden im Adult-Education-Survey-Trendbericht mit 67 Prozent deutlich höhere Teilnahme-Quoten gemessen als noch zwei Jahre zuvor. Zentraler Treiber für Unternehmen ist dabei oft die Mitarbeiterbindung. Mit Fort- und Weiterbildungsangeboten punkten sie in der Mitarbeitergunst.
„Wer seine Mitarbeiter nicht verlieren will, der sollte sich massiv um die individuelle Weiterbildung kümmern.“ - Prof. Dr. Tim Brüggemann
Er hat nur kurz Zeit. Prof. Dr. Tim Brüggemann, Bildungsforscher der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld, kommt gerade aus seinem Vortrag vor Handwerksunternehmern zum Thema Weiterbildung. Nur eine kurze Pause. Also muss es schnell gehen mit der zentralen Frage an den Hochschullehrer: Welche Bedeutung haben seiner Meinung nach Qualifizierungen – insbesondere unter dem Aspekt der Mitarbeiterbindung? Da braucht Brüggemann nicht lange und gibt eine sehr deutliche Einschätzung ab: „Wer seine Mitarbeiter nicht verlieren will, der sollte sich massiv um die individuelle Weiterbildung kümmern.“
Und wenn nicht? „Dann machen es die Mitarbeiter selbst – und am Ende sind sie weg.“ Die dramatische Lage am Arbeitsmarkt zwinge die Unternehmen dazu, sich um die Kolleginnen und Kollegen zu kümmern. Brüggemann spricht von einem nötigen, strategischen „Klebeeffekt“, den die Arbeitgeber seiner Meinung nach anstreben müssen, um Mitarbeiter zu halten, was auch Dr. Martin Noack von der Bertelsmann-Stiftung unterstreicht. Der Senior Expert für die betriebliche Weiterbildung sagt: „Das lebenslange Lernen ist längst keine Floskel mehr. Die Mitarbeiter orientieren sich danach.“ Das sieht Brüggemann genauso.
Er sagt aber auch: Es gibt immer noch eine Tabuisierung des Themas in vielen Unternehmen, unter anderem auch, weil vielen kleinen und mittelgroßen Arbeitgebern der Begriff Personalentwicklung durch Weiterbildung wenig sagt. Und Personalentwicklung und Mitarbeiter-Weiterbildung hingen nun mal sehr eng zusammen. Beide Experten haben auf ihren Weiterbildungszetteln stehen: Dadurch wird Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen gefördert, es muss aber nicht zwingend immer eine fachliche unternehmensspezifische, inhaltlich ausgelegte Weiterbildung sein. Brüggemanns konkretes Beispiel: Eine junge Kollegin macht eine Yoga-Schulung und bietet diese danach den Kollegen und Kolleginnen betriebsintern an. „Sie glauben gar nicht, was das für positive Kräfte freisetzt.“ Und das sowohl bei der geschulten Kollegin als auch bei den Teilnehmern.
„Teilqualifikationen, die zwischen Einzelkompetenzen und kompletten Berufsabschlüssen stehen, werden stärker nachgefragt werden.“ - Dr. Martin Noack
Wir haben verstanden: Weiterbildung wird gerade auch im kommenden Jahr ein wichtiger Faktor bei der Personalentwicklung sein. Das passt zum Fakt, dass auch in 2023 die Zahlen des Arbeitsmarktes alles andere als arbeitgeberfreundlich sein werden. Wenn Dr. Noack aus seinem Bürofenster der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh schaut, dann postuliert er als erstes: „Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen 15 Jahren massiv geändert.“ Eine Veröffentlichung von Forscherinnen des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt, dass aktuell 990.000 qualifizierten Arbeitslosen 1,2 Millionen offene Stellen gegenüberstehen. Im Jahr 2010 waren es doppelt so viele Arbeitslose und halb so viele offene Stellen. Damit wird klar, dass sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt hat.
Der hierfür maßgeblich verantwortliche demografische Wandel zusammen mit den Megatrends Digitalisierung und Dekarbonisierung lässt für die Weiterbildung in den kommenden Jahren laut Noack einige zentrale Veränderungen erwarten: „Insgesamt werden wir vor allem mehr Weiterbildung brauchen. Inhaltlich erwarte ich dabei eine Zunahme der digitalen Kompetenzen und vieler Softskills. Aber auch bei den Formaten werden wir Veränderungen sehen: Teilqualifikationen, die zwischen Einzelkompetenzen und kompletten Berufsabschlüssen stehen, werden stärker nachgefragt werden.“
Aber besonders spannend für die Zeitarbeit wäre natürlich die Antwort auf die Frage, welche Weiterbildungsmaßnahmen hier greifen werden, was die Trends mit Blick auf den leergefegten Arbeitsmarkt ausmachen. Die Branche muss sich sicherlich selbstkritisch zugestehen, dass das Thema bisher traditionell immer nur mit Blick auf die eigenen, festangestellten Mitarbeiter interpretiert worden ist. Mal eine Excel-Schulung, mal ein Seminar zur Datenbank – oder Ähnliches. Das Weiterbildungs-Fernglas war aber immer wenig bis gar nicht in Richtung überlassene Mitarbeiter ausgerichtet.
„Aber genau daher wird künftig der Wind wehen“, wagt Michael Loef vom WBS-Bildungsträger einen klaren Ausblick auf das Jahr 2023. Geförderte Weiterbildung lautet sein Mantra, was er auch pointiert formuliert: „Das ist insbesondere zu den kleinen und mittelgroßen Personaldienstleistern noch nicht wirklich durchgedrungen – insbesondere die sehr hohe Förderung bei den Teilqualifizierungen mit 100 Prozent Kurs- und bis zu 100 Prozent Gehaltskosten.“
Bleibt die Frage an den Bildungsexperten – unabhängig vom Thema Zeitarbeit – wo die methodischen Trends der Weiterbildung ganz allgemein liegen. Prof. Brüggemann: „Dem New Work folgt das New Learning.“ Was heißt denn das, Herr Professor? „Gefragt ist die volle Flexibilisierung der Bildung: Lerninhalte werden zu „Nuggets“, kleinen Häppchen, die sich quasi beliebig kombinieren lassen und in allen Formen – ob in Präsenz oder Distanz-Learning – angeboten werden.“
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Datum: 11.01.2023
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